Eine 2017 ziemlich umgekrempelte dritte Mannschaft mit einigen Abgängen, aber auch vier neuen Spielern aus unserer Stadtligamannschaft sowie einem Rückkehrer und einem recht starken Neumitglied vom Betriebssport ließen mich als Kapitän gleich die Parole ausgeben, dass wir in dieser Saison somit doch bitte sofort um den Aufstieg mitspielen sollten.
Die ersten beiden Runden sind diesbezüglich natürlich wegweisend. Erst zuhause im Grunde genommen eine Pflichtaufgabe gegen den Aufsteiger aus der Kreisliga und danach schon das vorentscheidende Auswärtsspiel beim Mitkonkurrenten Wedel, gegen den wir letztes Saison noch glatt verloren. Auch die Tatsache, dass wir in der Bezirksliga B mit den zwei Stadtliga- Absteigern Wilhelmsburg und Pinneberg sowie auch Schwarz Weiß Harburg noch drei weitere erste Mannschaften als Gegner haben, zeugt eher davon, wie tollkühn mein Wunsch ist.
Nun aber zur ersten Runde gegen St. Pauli 7. 2016 hatten wir gegen die sechste Mannschaft nur unentschieden gespielt. Die siebte als Aufsteiger dagegen sollte doch von vornherein und ganz sicher eine lösbare Aufgabe darstellen, auch wenn bei uns von den vier „Stadtligaabsteigern“ leider nur zwei an Bord waren. Peter Freitag möchte nur Ersatzspieler sein. Und Roland Gehn hatte sich ziemlich tragisch wohl kurz vor Weihnachten das Fußgelenk gebrochen und deshalb bereits vom Krankenhaus aus schon früh den Saisonauftakt abgesagt.
Der Mannschaftskampf begann aber zunächst mit vier Remisen, von denen das erste an meinem Brett nicht klar war. Ich überraschte zunächst bei einem Bedenkzeitverbrauch, sofern man überhaupt davon sprechen kann, wenn mir doch alle Anfangszüge klar waren, von gerade einmal zwei Minuten meinen Gegner schon im zehnten Zug mit einem vorübergehenden Figurenopfer, das er nach weit über einer halben Stunde Nachdenken ebenfalls stilgerecht mit einem Figurenopfer beantwortete, anstatt schlicht mein Opferangebot anzunehmen, wodurch ich sozusagen ebenfalls out of book war, mir aber trotz meines riesigen Zeitvorsprungs nur zehn Minuten gönnte, um gleich die nächste Figur zu opfern, was sogar im Nachhinein noch korrekt war, und mich erst danach zu verheddern. Mein sehr sympathischer Kontrahent fand aber in leichter Zeitnot zu meinem Glück nicht die Wiederlegung, und so bot ich mit einem Mehrbauern bald erfolgreich und inzwischen auch zurecht Remis an.
Nach der gemeinsamen Analyse sah ich dann noch unser viertes Remis an Brett 4, bei dem aufgrund eines Minusbauerns Uwe Börner wohl doch eher Dusel hatte, aber abermals eben auch die weitaus viel bessere Zeit. Die beiden anderen Remisen ganz hinten von Raphael Zuber und Rainer Bunge schienen mir jedoch bei einem flüchtigen Blick zwischendurch zumindest am Ende stellungsgerecht gewesen sein zu können.
Mein Einstand beim SK Union Eimsbüttel vor einem Jahr gegen Wedel endete mit einer unglücklichen Niederlage nach langem Kampf. Lothar Koch hingegen, den Roland vom Betriebssport mitgebracht hatte, machte es viel besser und schoss uns in seinem allerersten Einsatz für unseren Verein nun ganz verdient 3:2 in Führung. Er schien mir die skandinavische Eröffnung viel besser zu kennen als sein Gegenüber, hatte bald einen Bauern mehr, bei zudem auch besserer Stellung, was mich zunehmend an Einbahnstraßenschach erinnerte.
Eigentlich war an Brett 6 bei Ralph Bernhard ebenfalls alles zu seinen und damit auch unseren Gunsten gelaufen: ein Bauer mehr und einen gegnerischen Läufer geschickt abgeklemmt, so dass er nicht mitspielte. Doch zunehmend machte unseren Mann eine Besonderheit nervös. Schon vor Beginn des Mannschaftskampfes wies mich St. Paulis Kapitän darauf hin, dass bei ihnen gleich zwei sehbehinderte Spieler dabei seien, die eine spezielle Schachuhr dabei hatten und unsere damit ersetzten. Leider hatte ich im Nachhinein vergessen, zumal ich so etwas das letzte und damals erste Mal vor über 20 Jahren in meinem Heimatverein Barmbeker SK erlebt hatte, mir und unseren betroffenen Spielern die Uhr vor Spielbeginn genauer erklären zu lassen.
Eine Besonderheit war nämlich u. a. der seitlich angebrachte Kopfhörer, mittels dessen der sehbehinderte Spieler sich die Restbedenkzeit anhören konnte. Für seine musste er aber einen anderen Knopf als für die Ansage des gegnerischen Zeitverbrauchs drücken, was Ralph dann doch sehr irritierte. Letztlich aber brachte mein Mannschaftskamerad die Partie souverän zum 4:2 nach Hause.
Damit hing nun alles von unseren beiden sehr erfahrenen, langjährigen Stadtliga-Haudegen ab. Von Alfredo Vehars Sieg an Brett 2 habe ich nicht viel mitbekommen, da ich nun einmal als Kapitän zeitgleich bei Helmut Schoenenbergs Partie am Nachbarbrett seit dem 28. Zug, da nur noch viereinhalb Minuten Restbedenkzeit, mitschreiben musste. Das trotz Materialnachteils in meinen Augen deshalb gerechtfertigte gegnerische Remisangebot zwischendrin lehnte unser Routinier ab, hatte dann aber plötzlich nur noch vier Sekunden für die letzten fünf Züge bis zur ersten Bedenkzeitkontrolle.
Erschwerend kam hinzu, dass der blinde St. Paulianer ggü. sogar extra noch ein Blindenbrett daneben gestellt hatte, um die Stellung zu erfühlen, und Helmut stets seine Züge ansagen und die angesagten gegnerischen ebenfalls auf dem normalen Spielbrett ausführen musste, was erst ungefähr ab dem 30. Zug auf Helmuts Wunsch hin der gegnerische Mannschaftsführer dann sehr gern übernahm. Axel Eichstädt entschuldigte sich hinterher fast dafür, dass leider niemand von Beginn an diesen Job übernehmen konnte. Und ich meinte mich von meiner damaligen Premiere zu erinnern, dass der Gegner deshalb auch etwas mehr Zeit (fünf Minuten? zehn Minuten?) eingeräumt bekäme. Kurzum, vielleicht sollte ich als fast Novize doch einmal zum Mannschaftsführer-Treffen gehen, das der Hamburger Schachverband extra stets vor den Mannschaftskämpfen anbietet. Ich hätte jetzt zumindest unter diesem Aspekt noch viele Fragen.
Obwohl mit fast zwanzig Minuten für die letzten zwölf Züge ins Finale gegangen und bei noch rund zwei Minuten Bedenkzeit zum Zeitpunkt seiner korrekten Ansage „Es folgt der 39. Zug.“ war dann plötzlich doch Axel Eichstädts Uhr abgelaufen, bevor der 39. Zug überhaupt noch erfolgte. Kurios, was eventuell gegen einen sehenden Gegner nicht zu schaffen gewesen wäre, wie der St. Paulianer in großer Runde hinterher kleinlaut anmerkte, hatte Helmut diese schier unglaubliche Zeitnotschlacht also am Ende doch noch für sich entschieden. Respekt, wie Helmut damit auch meine süffisante Charakterisierung seiner Person im nachmittäglichen Telefonat als „Remiskönig“ doch eindrucksvoll gleich zu Saisonbeginn stark widerlegte.
Mein Fazit als Kapitän muss natürlich lauten, das wir gegen äußerst liebenswerte St. Paulianer letztlich vielleicht zurecht gewonnen haben, aber eben am Ende viel zu hoch. Sollten wir diesen berühmten „Bayerndusel“ hingegen konservieren können für die noch folgenden Matches, dürften wir meinen gehegten Aufstiegswunsch vielleicht noch sehr lange hegen und deshalb einer noch sehr spannenden Punktspielsaison entgegen sehen.